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Eisbaden - glimpspot

Der Eisbader

Wenn aus Schmerz etwas Positives wird

Der Eisbader

Schneller. Noch mehr Arbeit. Höher. Noch eine Party. Weiter. Noch ein Projekt. Absturz. Im Sommer 2019 ging bei Sören Van Loon nichts mehr. „Es war der absolute Tiefpunkt, zugleich aber auch der entscheidende Wendepunkt für ein neues, erfülltes und stabiles Leben“, sagt er. Der heute 31-Jährige fand für sich einen außergewöhnlichen Weg aus der Lebenskrise – „ durch eiskaltes Wasser“.

Immer auf der Überholspur

Wer Sören heute begegnet, der erlebt einen jungen geerdeten Mann. Unaufregt, aufmerksam – immer mit einem Lächeln im Gesicht. Der Lübecker ruht spürbar in sich, ist mit sich und seiner Welt im Reinen. „ Das war aber nicht immer so“, sagt er. Im Gegenteil: „Eigentlich hatte ich schon immer Anpassungsprobleme und habe – so lange ich mich erinnern kann – versucht, mein Leben auf die Reihe zu kriegen.“
Geboren und aufgewachsen in Bad Lauterberg im Harz, war Sören Van Loon schon immer auf der Überholspur. Alles, was er machte, war nicht nur ausreichend. Er wollte besser und besser sein. Bis er 14 Jahre alt war, machte er Hochleistungssport. Schwimmen. Schon damals war Wasser sein Element.

Nach der Schule wollte er eigentlich zur Polizei gehen, studierte dann aber Hotelbetriebswirtschaft. In dieser Zeit zog er nach Lübeck. Seine Begeisterungsfähigkeit war groß. „Freunde hatten 2018 ein innovatives Geschäftsmodell entwickelt – einem Verleih von Elektrobooten, mit denen man um die Lübecker Altstadtinsel fahren kann.“ „Boat Now“ hieß das Angebot und definierte war fortan Sörens Tagesablauf. Früh morgens hin, spät abends zurück. Anschließend alles andere. „Natürlich wollte ich zwischendurch auch noch etwas vom Leben haben und feiern.“

Plötzlich ging gar nichts mehr

Erst war es Alkohol, zu dem Sören immer häufiger griff. Irgendwann waren es illegale Drogen, die ihm halfen, das Pensum zu erfüllen. „Dann gab es diesen Tag im Sommer 2019, an dem plötzlich nichts mehr ging. Gar nichts.“ Eine Panikattacke riss ihn von den Beinen. „Ich war körperlich, vor allem aber mental müde. So unendlich erschöpft. Zugleich war da aber dieser feste Wille in mir, etwas gegen die Situation zu tun. Etwas zu ändern. Meinen Weg zu finden.“

Sören Van Loon probierte verschiedene Methoden aus. Yoga, Meditation, Autogenes Training. „Das war alles nett, aber es fehlte mir der letztlich entscheidende Klick, meine Gedanken zu kontrollieren, innere Ruhe und Gelassenheit zu finden.“ Bei der Suche im Internet stieß er auf eine Methode, die ihm letztlich seinen gesteckten Zielen näher zu bringen schien: „Das Eisbaden“.

Wenn aus Schmerz etwas Positives wird

„Letztlich braucht man nur drei Dinge: Kaltes Wasser, idealerweise Eiswürfel und ein Behältnis, in das man sich bequem setzen kann.“ Überwinden musste er sich nicht. „Ich hatte viel gelesen, Atem- und Meditationstechniken studiert.“ Seinen ersten Selbstversuch unternahm der Lübecker Anfang 2020. „Natürlich reagiert der Körper heftig auf die Kälte, das Wasser hat ja im Idealfall eine Temperatur zwischen null und zwei Grad. Aber: Ich habe sehr schnell gelernt, diesen Schmerz in positive Gedanken und Gefühle umzuwandeln.“

Zweimal pro Woche steigt Sören in seine Eistonne, im Sommer sogar drei- bis viermal. „Dann liefert mir ein Bekannter Eiswürfel an, um die gewünschte Temperatur zu erreichen.“ Der 31-Jährige taucht aber nicht nur körperlich ab, auch mental begibt er sich bei jedem Badegang auf Tauchgang. „Ich spüre, wie die Gedanken fließen, der Kopf leerer und leerer wird und fast so etwas wie ein Urlaubsgefühl in mir aufkommt.“ Ein Kurzurlaub, denn um sich keiner gesundheitlichen Gefahr auszusetzen, darf Sören nur für Minuten in dem eiskalten Wasser bleiben. Meist wachen seine Frau und die beiden Kinder am Rand des Gartens auf der Terrasse darüber, dass ihr Liebster nicht übertreibt.

Ein neues Leben nach dem Absturz

Wobei: Die Zeiten, in denen Sören Van Loon ans Limit und darüber hinaus gegangen ist, sind vorbei. „Ich habe in den vergangenen Jahren viel über mich gelernt.“ Seine Hochsensibilität und sein Problem, Reize häufig nicht verarbeiten zu können, sind ihm erst jetzt bewusst. „Anhand dieser Faktoren kann man sein Leben planen, strukturieren – sich selbst organisieren.“ Und mit diesem Wissen hat er auch noch eine zwischenmenschliche Entwicklung vollzogen. „Ich hatte immer ein ambivalentes Verhältnis zu meiner Familie und meiner Heimat. Heute fahre ich dort gern hin. Ich habe meinen Frieden gefunden.“ Und so schmerzlich der Absturz auch war, „er hat mir ein neues Leben geschenkt“.

Wasser war und ist sein Element, sein ganzes Leben schon. Und heute auch erfolgreich im Beruf: Zusammen mit einem Freund betreibt er den „Wasserladen Lübeck“ in der Glockengießerstraße 50 und klärt Menschen über Filter- und Aufbereitungsanlagen auf.

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